Ich habe kürzlich Menschen in meinem Umfeld befragt, was ihnen bei dem Wort Lebensmitte einfällt.
Bevor du weiter liest, überleg mal kurz, was dir ganz spontan zu der Frage in den Sinn kommt.
Die ersten Nennungen bei meiner kleinen Befragung waren:
Midlife, Midlife-Crisis, Depressionen, Falten, Unsicherheit, Wechseljahre, Alter, alt, bald Rente, Kinder aus dem Haus, Rückenschmerzen, altes Eisen …
Zugegeben: Nach etwas Nachdenken kamen bei einigen auch ein paar positivere Begriffe 😉 Die ersten Worte waren aber tatsächlich die oben genannten.
Dies kleine – natürlich nicht wissenschaftliche – Befragung hat mein Gefühl bestätigt:
Die Lebensmitte scheint auf den ersten Blick sehr negativ behaftet zu sein.
Ich wollte es noch genauer wissen und habe mal bei Google „Lebensmitte“ eingegeben. Dort wurde mir zunächst Werbung für Cholesterin-Senker, Blutdruck-Mittel etc. vorgeschlagen. Auch das ist nicht gerade positiv, motivierend und ermutigend.
(Info am Rande: Ich habe das Handy einer jungen Kollegin für dieses kleine Experiment genommen, damit mein sonstiges Suchverhalten keinen Einfluss hat.)
Was denkst du, wenn du das so liest? Wundert dich das Ergebnis?
Mich hat es nicht gewundert!
Genau aus diesem Grund möchte ich hier den Spieß einmal umdrehen und den Fokus auf die positiven Aspekte und die Chancen der Lebensmitte richten.
Doch halt: Vor den Chancen möchte ich noch einen kurzen Umweg nehmen und den Begriff Lebensmitte näher betrachten:
Was ist eigentlich die Lebensmitte?
Von der Wortbedeutung her ist es die Mitte des Lebens. Doch was ist die Mitte?
Rechnerisch ist es der Mittelpunkt zwischen Geburt und Tod.
Da wir nicht wissen, wie lange wir leben, kennen wir unsere Lebensmitte nicht.
Ab der Lebensmitte ist unsere Zukunft kürzer als unsere Vergangenheit. Auch das können wir nicht als fixen Punkt betrachten.
Lebensmitte ist der Übergang von der ersten in die zweite Lebenshälfte. Das klingt schon passender für mich, weil ein Übergang auf eine Phase hindeutet.
Man findet auch vielfach Altersspannen für die Lebensmitte. Diese unterscheiden sich je nach Quelle. Ein grober Rahmen ist das Alter von Ende 30 bis Ende 50 Jahren.
Ich betrachte die Lebensmitte nicht nach einem bestimmten Alter. Meine Auslegung ist die gefühlte Lebensmitte – unabhängig davon, welches Geburtsdatum in deinem Ausweis steht . Die Lebensmitte ist für mich eindeutig kein Zeitpunkt, sondern eine Phase, die individuell eine ganz unterschiedliche Lage und Länge hat.
Wenn du das Gefühl hast, dass du in der Lebensmitte bist, dann ist sie auch da für dich. Das kann mit Ende 30 sein und ggf. auch erst mit 60.
So – jetzt aber endlich zu den Sonnenseiten der Lebensmitte:
#1 Wertvolle Erfahrungen und Stärken
Du konntest auf deinem Lebensweg schon sehr viele Erfahrungen sammeln. Jede Erfahrung macht dich reicher, bringt dir mehr Klarheit und formt deine Persönlichkeit.
Du hast dich selber immer besser kennengelernt. So sind dir wahrscheinlich schon einige deiner Stärken bekannt und bewusst.
Du hast vermutlich schon einiges probiert in deinem Leben. Insbesondere weißt du wahrscheinlich inzwischen sehr gut, was du nicht willst. Da hast du schon einen Riesen-Vorteil gegenüber jungen Menschen, die diese Klarheit für sich vielfach noch nicht so haben.
#2 Mehr Freiheit und Unabhängigkeit
Falls du Kinder hast: Du bekommst in der Lebensmitte neue Freiräume. Ich weiß, die Sorgen und Gedanken an die Kinder bleiben – ganz egal wo sie gerade sind und wie alt sie sind. Dennoch haben wir objektiv mehr Freiräume, wenn wir ehrlich uns selber gegenüber sind. Diese können wir nutzen. Dies gilt insbesondere in zeitlicher Hinsicht. Es ist weniger Zeit fremdbestimmt verplant.
So kannst du nach und nach Zeit und Energie in dein eigenes Leben investieren, da die gefühlte oder tatsächliche Beanspruchung für andere abnimmt.
#3 Du hat noch sehr viel Zeit
Eine heute 50-jährige Frau wird durchschnittlich 88 Jahre alt. Ein Mann wird 84 Jahre alt. Wenn du als Frau heute 50 bist, hast du also noch 38 Lebensjahre vor dir. 38 Jahre – überleg mal wie lange das ist. Denk mal zurück, was du in den ersten 38 Jahren deines Lebens alles erlebt, gemacht und geschafft hast. Warum nicht die letzten 38 Jahre auch noch intensiv nutzen?
Die steigende Lebenserwartung ist somit ein Riesen-Vorteil.
Wenn du JETZT startest, kannst du noch sehr viele Jahre so gestalten, wie du es dir wünschst.
#4 Du darfst noch auf dem Weg sein
In der Lebensmitte musst du nicht angekommen sein.
Die traditionellen Lebensphasen (Ausbildung/Studium – Arbeiten – Rente – ggf. unterbrochen durch eine Familienphase) sind längst Vergangenheit. Es ist so viel Variation möglich.
Du darfst noch gestalten und du kannst auch noch gestalten. Du musst nur selber für dich entscheiden, dass du es möchtest und den ersten Schritt gehen. Du kannst dich für Weitermachen wie bisher oder für Veränderungen entscheiden.
Die Lebensmitte kann so eine sehr wertvolle Gestaltungs- und Entwicklungszeit für dein Leben sein.
#5 Änderungen in der Arbeitswelt
Die Änderungen in der Arbeitswelt öffnen neue Türen – und das nicht nur für junge Menschen.
Neue Arbeitsformen, neue Berufsfelder, neue Arbeitszeitmodelle bieten viele neue Möglichkeiten. So kannst du dich zum Beispiel in einem viel größeren Radius orientieren. Zudem gibt es unzählige neue Karrierewege – eine bunte Vielfalt der Qualifizierungs- und Entwicklungsmöglichkeiten.
Hinzu kommt die demografische Entwicklung. Die Unternehmen brauchen Mitarbeitende. Der Fachkräftemangel ist in vielen Bereichen deutlich spürbar. Daraus können sich tolle Chancen ergeben. Verbunden mit deiner Erfahrung kannst du sehr wertvoll für Unternehmen sein.
Realitätscheck:
Klingen die Chancen nach „Heile-Welt-Gerede“ oder Realität?
Klar ist die Lebensmitte nicht immer nur leicht und schön und Sonnenschein. Gleichzeitig bietet sie viele Chancen, die wir nutzen können. Wir haben es selbst in der Hand bzw. in unserem Kopf.
Ab der Lebensmitte geht es für mich nicht bergab, sondern weiter bergauf. Wir haben die Chance, uns immer weiter zu entwickeln und die zweite Lebenshälfte genauso intensiv zu leben wie die erste.
Wenn du dich den Herausforderungen der Lebensmitte aktiv stellst, gehst du als gestärkte Persönlichkeit und mit mehr Zufriedenheit daraus hervor.
Die Lebensmitte ist viel mehr als Midlife-Crisis.
Wenn du jetzt nochmal an die Eingangsfrage denkst: Was fällt dir jetzt als erstes ein, wenn du an Lebensmitte denkst? Schafft es unter die ersten drei Begriffe, die dir einfallen ein positiver Aspekt?
Mach’s mal nach und starte auch mal die kleine Befragung. Ich bin gespannt auf deine Ergebnisse.
Mach anders weiter – es könnte gut werden!